Das Grand Hotel Gardone versprüht noch immer den Charme der Jahrhundertwende und lädt zum Entschleunigen ein
(Mai 2019) Die große Standuhr im Teesalon des Grand Hotel Gardone lässt zur vollen Stunde die Melodie von Londons Big Ben ertönen, und auch sonst fühlt man sich im dem großen, etwas altmodisch anmutenden Raum mit den breiten Sesseln und den Tischchen für Tee und Kuchen und dem herrlichen Blick über den See an England erinnert. Vermutlich ist das auch ein Grund dafür, dass sich englische Touristen hier besonders wohl fühlen. Die Engländer bilden den größten Teil der Besucher des Grand Hotel Gardone, das an der Westseite des Gardasees thront wie der Buckingham Palace und auch ungefähr genauso lang ist. Der bedeutendste Engländer, der im Grand Hotel Gardone bisher logierte, war Winston Churchill, der im Juli 1949 hier zwei Wochen verbrachte , an seinen Memoiren schrieb, Aquarelle malte und Unmengen an Zigarren rauchte. Churchills Besuch hat einen so großen Eindruck auf die Besitzer des Grand Hotels Gardone gemacht, dass das Zimmer, das er damals bewohnte, seitdem Churchill-Suite heißt.
Berühmtheiten hat das Grand Hotel Gardone schon viele gesehen. Schon lang vor Churchills Besuch war das Grand Hotel Gardone selbst eine Berühmtheit, die prominente Namen anzog wie Stefan Zweig, den König von Sachsen, Paul Heyse und Gabriele D`Annunzio. Zweig und Heyse haben sogar Erzählungen verfasst, in denen das Hotel als Ort der Handlung dient: „Untergang eines Herzens” und „Vigilio”. Heyse, der 1910 den Literaturnobelpreis erhielt – ebenso wie übrigens Winston Churchill 1953 – war von Gardone so begeistert, dass er dort fast immer während der Wintermonate sein eigenes Haus bewohnte.
Damals, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, war das Grand Hotel in Gardone sehr beliebt zum Überwintern. Die Gäste kamen damals vor allem aus Deutschland. Zwei deutsche Architekten – Hermann Billing und Wilhelm Vittali – waren es auch, die das Gebäude erweiterten und ihm sein Wahrzeichen gaben: den 1904 errichteten und weithin sichtbaren Turm mit seinen goldenen Mosaiken und dem Jugendstil-Schriftzug „Grand Hotel“ darauf.
Begonnen hat die Geschichte des Grand Hotels 1884, damals hieß es noch Hotel Pizzocolo. Nach dem Tod des Erbauers führte dessen Witwe das Hotel weiter und erweiterte es sukzessive durch Anbauten. Seinen Aufschwung verdankte das Hotel zu einem nicht geringen Teil einem deutschen Arzt, der seinen zahlreichen Patienten einen Kuraufenthalt in Gardone wegen des milden Klimas als Alternative zum deutschen Winter empfahl. Das Grand Hotel Gardone verfügte um die Wende zum 20. Jahrhundert bereits über Strom und Heizung, auch die Bäder waren beheizbar. Eine Zeitung schwärmte damals, dass man das Hotel ohne Übertreibung eine Stadt nennen könne. „Es gibt 300 Räume, alle nach Süden hin ausgerichtet, Speisezimmer (das größte mit einer Kapazität für 250 Personen), Räume für Konversation, Lesen, Musik, Spiele, Galerien, Bäder, einen Garten mit tropischer Vegetation und einer wunderbaren Promenade an der Seeseite. Außerdem gibt es noch einen weitläufigen Park gegenüber dem Hotel am Hang mit gepflegten Wegen, die zu wunderbaren Spaziergängen und Aussichten einladen.”
So entwickelte sich das Grand Hotel Gardone langsam aber sicher zu einem der angesagtesten Hotels in Europa – dank des Klimas und dank seiner privilegierten Lage direkt am Ufer des Gardasees. Wer heute alte Fotografien aus der Zeit der Jahrhundertwende betrachtet, die sich in einem schönen Band über die Geschichte des Hauses finden (man kann das Buch an der Rezeption kaufen), erkennt rein äußerlich kaum eine Veränderung des Gebäudes zu heute. Tatsächlich ist ein Besuch des Grand Hotel Gardone ein wenig eine Zeitreise in die Vergangenheit. Wenn man es sich an einem sonnigen Nachmittag auf einer Liege oder einem Stuhl auf der hoteleigenen Promenade bequem macht und auf den glitzernden See blickt, fällt es nicht schwer, sich ein Jahrhundert zurückzuträumen.
Wer es ganz entschleunigt mag, kann wie vor 100 Jahren mit dem Dampfer von Riva anreisen. Um die Jahrhundertwende gab es noch keine Straße am gebirgigen Westufer von Riva nach Gardone, und die Gäste sind in Riva mit dem Zug ankommend in den Dampfer umgestiegen. Heute existiert am Westufer eine vielbefahrene Straße, dafür wurde der Bahnhof in Riva dicht gemacht, was sehr bedauerlich ist. Für Bahnreisende ist es heute umständlicher nach Riva zu gelangen als vor 100 Jahren.
Den großen Garten des Grand Hotels an den Hügeln, in dem auch eine Szene in Paul Heyses Erzählung „Vigilio“ spielt, gibt es heute leider nicht mehr. Die nachfolgenden Besitzer des Hotels haben ihn 1960 verkauft, um Modernisierungen am Gebäude durchführen zu können. So wurde das große Hotel über die Zeiten hinweg immer wieder in einen zeitgemäßen Zustand versetzt – bis heute. Die Familie Mizzaro führt das Hotel heute in der dritten Generation, davor gab es – auch durch die Kriegswirren bedingt – wechselnde Eigentumsverhältnisse. Dank der Hingabe, mit der die Familie Mizzaro das Grand Hotel mit seinen 4 Sternen betreibt, konnte das wunderbare Gebäude in seiner Originalgestalt und seinem Charme erhalten werden. Und so bietet es auch heute noch seinen Gästen einen selten gewordenen Charme jenseits der Sterilität vieler anderer Spitzenhotels. Und natürlich gibt es im Grand Hotel Gardone auch eine hervorragende Gastronomie der gehobenen Klasse – à la carte oder als Halbpension.
Von Robert Jungwirth
Infos: www.grandhotelgardone.it/de/
(Die Reise wurde unterstützt vom Italienischen Tourismusverband und dem Grand Hotel Gardone)